Anbei möchte ich die Chance nutzen allen Onkelz-Fans ein Platz zum Ausheulen zu geben. Seit gestern ist die Ära 'Onkelz' beendet. Nach 25 Jahren Musik nimmt die umstrittenste Rockband Deutschlands den Hut und verabschiedet sich mit einem 2-tägigen Abschlusskonzert am Eurospeedway Lausitz. Hier noch einige Bilder vom Ring (Quelle: http://www.onkelz.de)
Böhse Onkelz (1980-2005)
Abschied
Die Steppen Brandenburgs durchfuhren am Wochenende dichte Autokarawanen wie im städtischen Berufsverkehr. Auch von VW Sharans und Smarts grüßten die Aufkleber der Böhsen Onkelz. Die umstrittene Band aus Hessen hatte ihren Rücktritt schon vor einem Jahr erklärt. "Adios", ihre letzte Platte, hielt die deutsche Hitparadenspitze einen Sommer lang besetzt. Zum Abschied pachteten die Böhsen Onkelz nun den Lausitzring. Drei Tage musizierten sie mit Nachwuchsgruppen wie den Enkelz und Altvorderen wie Motörhead. Die Gäste zelteten und spielten Fußball. Es gab ein betreutes Camp für Kinder sowie eine polizeilich überwachte Rennstrecke für jugendliche Autoraser. "Wir nehmen unseren Hut, alles wird gut", schrie Kevin Russell von den Onkelz in die Kiefernwälder.
Das Quartett aus Frankfurt zählte nicht nur zu den großen deutschen Rockstars. Es war auch ein Phänomen: Den Plattenläden war die Gruppe peinlich, MTV war stolz darauf, die Videos zu boykottieren. 1980 hatten sich die Onkelz im Milieu von Punks und Skinheads als Krawallcombo gegründet. Um als Außenseiter auffällig zu werden, mischten sie unter die Sauflieder gelegentlich ein "Türken raus!" oder ein "Schwarz-rot-gold, wir steh'n zu dir!" Das sprach das anwachsende Heer der Neonazis in der Skinhead-Szene an. Noch in den achtziger Jahren distanzierte sich die Band. 1990 unternahm der Texter, Sprecher und Bassist der Onkelz, Stephan Weidner, eine Weltreise nach Mexiko und Indien, um sich selbst zu finden. Weidner ließ sich Haare wachsen und geht seither um als reumütiger Rocker.
1993 überraschten die Geächteten mit einem Beitrag für "Rock gegen Rechts". Während sie der gemeine Neonazi fortan mied, erhielt die Band aus allen Richtungen und Schichten Zulauf. Das beunruhigte Mahner, die hier Skins im Strickpullover witterten. Und es rief Daniel Cohn-Bendit und Alice Schwarzer auf den Plan, die hier Sozialarbeiter bei der Trockenlegung brauner Sümpfe sahen. Doch die Böhsen Onkelz profitierten eher von der Vereinigung und vom Modernisierungsfrust in Brandenburg oder Vorpommern. "Gehaßt, verdammt, vergöttert", damit ließen sich aus Niedersachsen in den Osten kommandierte Studienräte und Sozialminister schwer erschüttern.
So gelang den Onkelz ein groteskes Kunststück: Sie erfanden eine Konsensband für grundlose Rebellen. Für die Hunderttausendschaften Un- und Mißverstandener, für Parias der Popkultur, für Leute, denen alles andere zu weich klang und zu langweilig. Man sah sich jammernd als Verschwörungsopfer einer ahnungslosen Presse. Und zugleich bezog man daraus seinen Stolz. Zuletzt schafften die Helden dieser Haltung den Spagat noch einmal selbst mit ihrer Hymne "Onkelz vs. Jesus".
Stephan Weidner ist 41 Jahre alt, er möchte nicht im bürgerlichen Rockbetrieb verenden. Sagt er. Allerdings hat nicht mehr viel daran gefehlt. Die Böhsen Onkelz spielten bei den Rolling Stones im Vorprogramm. Sie traten auf als Benefizonkel, die Geld für Kinder in Peru hergeben und für die International Peace Foundation. Und zu guter Letzt riefen sie Servus beim Familienwochenende in der Lausitz. Michael Pilz
Artikel erschienen am Mo, 20. Juni 2005